Rechtsprechung im Fokus

Wie leere Floskeln zu fehlerhaften Urteilen führen und den Rechtsfrieden gefährden

In der Praxis setzen viele Gerichte oft auf Floskeln und inhaltsleere Scheinargumente. Dadurch entsteht nicht nur den betroffenen Parteien unmittelbar ein Schaden, nein, auch der Rechtsprechung selbst, denn der Rechtsfrieden gerät in Gefahr. Anhand eines repräsentativen Urteils sollen die Schwächen in der Urteilsfindungspraxis aufgezeigt werden, damit diese in Zukunft vermieden werden können. Nur so kann dem Autoritätsverlust der Justiz und einer damit verbundenen nur mangelhaften Akzeptanz von Urteilen in der Praxis vorgebeugt werden. 

Theoretisch dient die Rechtsprechung der Gerechtigkeit im Einzelfall. Diese richtet sich nach Maßgabe der jeweils geltenden Gesetze und Endet durch einen endgültigen, auch zwangsweise durchsetzbaren, Rechtsspruch (Urteil) und – im Ideal – der Wiederherstellung des Rechtsfriedens. Aufgabe der Gerichte ist es demnach, in Verfahren für einen konkreten Fall den Sachverhalt aufzuklären, auf diesen sodann das Recht anzuwenden und schlussendlich ein tatsächlich und rechtlich richtiges Urteil zu fällen.

Soweit die Theorie. In der Praxis kommt die Aufklärung des Sachverhaltes leider oft zu kurz – meist begründet mit dem Grundsatz der Prozessökonomie. Die Gerichte verlassen sich dabei zudem vielfach auf vermeintlich richtige aber inhaltsleere Floskeln. Eine korrekte, eigenständige und den Regeln der Logik und der Rechtswissenschaft entsprechende Urteilsfindung ist so aber nicht möglich. Die Wiederholung von Fehlern durch die Verwendung fehlerhafter Floskeln und Textbausteine führen daher reihenweise zu Fehlurteilen.

Grundlegendes

Der VDA e.V. ist als Branchenverband häufig mit Rechtsfällen aus dem Bereich des Unfallersatzes beschäftigt. Unfallersatz  bedeutet, dass ein bei einem Verkehrsunfall beschädigtes Kfz für den Zeitraum der Reparatur oder der Ersatzbeschaffung mit einem Mietwagen im Rahmen des durch einen Schädiger zu leistenden Schadensersatzes gem. § 249 Abs. 1 BGB ersetzt wird.

Die Zahl der Verkehrsunfälle ist in Deutschland relativ stabil – sie lag 2014 bei rund 2,4 Millionen.[1] Bei einer zu erwartenden Zunahme des Verkehrs ist in Zukunft mit einer gleichbleibend hohen Zahl an Fällen im Unfallersatz zu rechnen. Umso wichtiger ist es, dass die große Zahl an Fällen sachgerecht und handwerklich korrekt entschieden wird.

Interessensgruppen

In der Praxis stehen sich oft zwei Gruppen vor Gericht gegenüber:

1.            Die Kfz-Haftpflichtversicherer und die
2.            Autovermieter, aus abgetretenem Recht der Geschädigten

Es liegt auf der Hand, dass es den Versicherungen darauf ankommt, möglichst geringe Mietpreise durchzusetzen, denn das fördert den eigenen Gewinn.

Umgekehrt haben die Vermieter ein Interesse daran, hohe Preise durchzusetzen, um den Gewinn zu steigern.

Leider stehen die beiden Interessensgruppen nicht auf Augenhöhe zueinander. Während ein Autovermieter bei der Preisfindung den Regeln des Wettbewerbes ausgeliefert ist,[2] können die Versicherungen durch unterschiedliche Maßnahmen Einfluss auf den Markt ausüben, ohne, dass sie überhaupt Wettbewerber sind.

Zum einen ist der von der Versicherungswirtschaft initiierte Marktpreisspiegel Mietwagen[3] des Fraunhofer Instituts anzuführen. Dieser wird leider – trotz vielfach wiederholter anderslautender Beteuerungen im Marktpreisspiegel selbst – in keinster Weise wissenschaftlichen Anforderungen gerecht und verfehlt es, einen „realen Marktpreis“ wiederzugeben.[4] Vielmehr ist der GDV-Marktpreisspiegel in seiner jetzigen Form nur eine Sammlung der Lock- und Angebotspreise der größten acht Autovermieter.[5] Er beinhaltet also lediglich die am Markt realisierbaren „Schnäppchenpreise“  um daraus dann einen vermeintlichen „Realpreis“ widerzuspiegeln. Im Segment der Flug- oder Hotelpreise würde das einer Sammlung von Schnäppchen à la 1 Euro pro Flug oder Nacht entsprechen, aus der dann ein „Marktpreisspiegel“ gefertigt würde. In solch einem Fall würde es dem Gericht aber kaum einfallen, aus Lockangeboten reale Marktpreise zu zaubern.

Zu weiteren Marktpreismanipulationen nutzen die Versicherungen ihre erhebliche Marktmacht (z.B. Allianz, HDI, Huk Coburg, VHV etc.) mit tausenden von Fällen. So werden den Vermietern von Seiten der Versicherungen abenteuerliche Preistabellen zur Regulierung angeboten, immer im Hinblick darauf, dass insbesondere kleinere Autovermieter das Prozesskostenrisiko scheuen und sich daher mit weniger zufrieden geben, als ihnen eigentlich rechtlich zustünde.

Darüber hinaus ist dem Verband u.a. durch viele Mitgliederbeschwerden bekannt, dass die Unfallgeschädigten oft – z.T. noch unmittelbar im Anschluss an das Unfallgeschehen – direkt von den Versicherungen angesprochen werden. Damit wird der Zweck verfolgt, dass eine niedrigere Mietwagenklasse angemietet wird als dem Geschädigten zusteht. Zudem werden regelmäßig Partnerwerkstätten oder Partnervermietungen  mit Fantasietagesätzen angedient.

Viele kleinere und mittelständige Autovermietungen haben sich deswegen entschlossen, ob der Marktverzerrenden und teils sogar rechtswidrigen Einwirkungen seitens der Versicherungen,[6] das Segment des Unfallersatzgeschäftes gar nicht mehr zu bedienen.

In der Praxis

Einen besonders eklatanten Fall stellt das Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.03.2015 dar (Az.: I-1 U 42/14).[7] Dieses beginnt in der Urteilsbegründung (ab Rn. 16) mit der Herbetung der Standardvorgaben des BGH (bis Rn. 22). Doch bereits im nächsten Abschnitt verrät das Gericht seine wahre Intention, wenn es dort heißt: „[…] noch hat [die Klägerin] Umstände vorgetragen, die es rechtfertigen könnten, ihr auch wirtschaftlich nicht erforderliche Mietwagenkosten zuzuerkennen.“

Wirtschaftlich nicht erforderliche Mietwagenkosten sind aber per Definition nicht zu ersetzen, denn das wäre ja ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Es ist unmöglich solch einen Nachweis zu erbringen. Das Gericht wertet offenbar die geltend gemachten Kosten von vorneherein als „wirtschaftlich nicht erforderlich“ und damit nicht ersetzbar. Kein Argument der Welt kann aus nicht erforderlichen Kosten erforderliche und damit auch ersetzbare machen. Das Gericht bekundet hier völlig ungeniert und eindeutig seine Voreingenommenheit. So etwas hat in einem Urteil – gerade in dem eines OLG – nichts zu suchen. Wenigstens sollte das Gericht versuchen den Eindruck einer fairen Prüfung zu erwecken! Es ist immerhin ehrlich, es so direkt in der Begründung zu dokumentieren.

Bis Rn. 33 wird der unstreitige Sachverhalt abgehandelt und erst ab Rn. 36 wird es wieder interessant. Dort behauptet der Senat, dass die Fraunhofer-Liste der Schwacke-Liste überlegen sei. Basta. In der weiteren Begründung werden dann angebliche Vor- und Nachteile von Fraunhofer und Schwacke in Textbausteinform (Guttenberg lässt grüßen) aneinander gereiht. Eine tatsächliche Auseinandersetzung des Gerichts mit dem Fall findet nicht statt.

Zu Schwacke

Das OLG scheut nicht vor offenbar falschen Tatsachenbehauptungen zurück (vgl. Rn. 40): „[es] wird […] aus empirischer Sicht als Nachteil der „Schwacke-Liste“ angesehen, dass wegen der nicht anonymisierten Abfrage der Daten zum einen die konkrete Anmietsituation nicht abgebildet werde und zum anderen den angefragten Autovermietern der Zweck der Preisermittlung bekannt sei, sodass die Gefahr bestehe, dass Anbieter aus Eigeninteresse höhere Preise angeben.“

Zu diesen „Tatsachenbehauptungen“ lässt sich feststellen, dass erstens keinerlei empirische Bedenken hinsichtlich einer offenen Preisabfrage bestehen[8] und zweitens, dass eine anonymisierte Abfrage per se keine konkrete Anmietsituation abbildet. Bei einer reinen Preisermittlung ist das zudem irrelevant, denn die Servicequalität wird ja gerade nicht ermittelt!

Das vom Gericht geäußerte Bedenken, dass die Preisangaben manipuliert sein können ignoriert die Tatsache, dass keine Einzelpreise durch Schwacke abgefragt werden, sondern Standardpreislisten und Originalprospekte, so wie sie für die Kunden bestimmt sind. Bei solchen, allgemein für jedermann verfügbaren und an die Allgemeinheit gerichteten Listen besteht keine Möglichkeit der Manipulation. Zusätzlich ignoriert das OLG, dass Schwacke eine Plausibilitätskontrolle der erhaltenen Angaben durchführt.[9] Die Unterstellung des OLG ist also absurd. Welcher seriöse Unternehmer schreibt bitte überhöhte Preise in seine Preislisten um Kunden anzulocken?! Das liegt nun wirklich nicht im Eigeninteresse der Anbieter!

Ziemlich dreist ist ebenso das Hauptargument des OLG zur Ablehnung der Schwacke-Liste (vgl. Rn 47): „Entscheidend gegen die „Schwacke-Liste“ als Schätzungsgrundlage spricht, dass sie auf der Annahme beruht, die in den eingeholten Preislisten der Mietwagenunternehmen angegebenen Preise würden Marktpreisen, d.h. den tatsächlich auf dem Markt realisierten Mietpreisen entsprechen. Diese Annahme wird durch die Autoren der „Schwacke-Liste“ nicht belegt und begegnet zudem nicht unerheblichen Zweifeln.“



[1] vgl. ADAC-Statistik: Link

[2] Vgl. z.B. Geschäftsbericht Sixt 2014, S. 42: „Nach wie vor zeichnet sich die Branche durch eine hohe Wettbewerbsintensität und ein moderat wachsendes Marktvolumen aus.“

[3] Vgl. Fraunhofer Marktpreisspiegel Mietwagen 2008, S. 7: „Die Entwicklung der […] Methodik erfolgte im Auftrag des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV)“; das gilt unverändert, denn die Methodik wurde seitdem nicht verändert, nur der Hinweis auf den GDV fehlt in den aktuellen Ausgaben des Mietpreisspiegels (vgl. 2014, S. 15: „[…] das Fraunhofer IAO [hat] 2008 eine Methodik entwickelt, die als Basis […] dient.“)

[4] Vgl. zur Kritik i.E. Autovermieter Journal 2. 2015, S. 6ff

[5] Seit 2014 sind es 8; zunächst waren es von 2008-2012 nur 6 und 2013 dann 7 Anbieter. Das sind bei insgesamt 3239 Vermietern von Kraftfahrzeugen (Quelle: statistisches Bundesamt; Stand 2013) nur 0,25 % aller Autovermieter! Die zur Rechtfertigung herangezogenen „telefonische Erhebungen“ sind zudem weder mit den Werten der Interneterhebung vergleichbar (1-stellige PLZ vs. 2-stellinge PLZ) noch sind die Aussagen der Telefonerhebung repräsentativ (vgl. Fraunhofer Marktpreisspiegel 2014, S. 18: „Eine repräsentative Untersuchung muss so viele Werte einholen, dass Aussagen durch eine hinreichende Anzahl von erhobenen Werten belegt werden können. So ist […] die Berechnung von Mittelwerten auf Basis einiger weniger Angaben statistisch wenig aussagekräftig.“ Nun liegen bei 10 unterschiedlichen Fahrzeugklassen pro abgefragter Station im Schnitt lediglich rund 2,9 Werte vor. D.h. nicht mal 1 Wert pro Station und Schwacke-Fahrzeugklasse (faktisch sind es 0,29 pro Fahrzeugklasse). Wie daraus ein regionaler Mittelwert ermittelt werden kann, bleibt ein Geheimnis des Fraunhofer Instituts! Zumal eigentlich 14 Schwacke-Klassen abgefragt werden müssten, was den Wert noch weiter auf 0,21 pro Fahrzeugklasse reduziert.

[6] Ein Kartellverfahren ist anhängig und dürfte ebenso erfolgsversprechend sein wie seinerzeit die Car-Partner Entscheidung des BGH in der das Gericht bereits zu einem nahezu identisch gelagerten Fall „zur Frage eines Verstoßes gegen das Kartellverbot, [Stellung bezog,] wenn Haftpflichtversicherer ein Gemeinschaftsunternehmen gründen, das auf dem Markt für die gewerbliche Vermietung von Unfallersatzwagen tätig werden soll, um dadurch - auch mit wettbewerbsfremden Mitteln (insbesondere subventionierten Preisen des Gemeinschaftsunternehmens) - dämpfend auf das Niveau der Mietpreise einzuwirken.“

[7] Vgl.: Link

[8] Eine verdeckte Befragung (mystery research) dient in der Markt und Meinungsforschung der Untersuchung unbefangenen Verhaltens von Personen in bestimmten Situationen (vgl.: Richtlinie für den Einsatz von

Mystery Research in der Markt- und Sozialforschung des Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (ADM)) und ist bei Preisindizes irrelevant, die ja gerade kein Verhalten, sondern Preise abfragt. Hier wäre vielmehr der Einsatz hedonischer Methoden geboten (vgl. z.B.: Link)

[9] Vgl. Schwacke Automietpreisspiegel 2015, S. 3ff

Die Unterstellung des OLG Düsseldorf, die von Schwacke abgefragten Preislisten seien keine Marktpreise, stellt alle Autovermietern unter Generalverdacht und wirft ihnen rechtswidriges Verhalten vor: Die von Schwacke abgefragten Preislisten unterliegen der Preisangaben-Verordnung, in der es wörtlich heißt: „Die Angaben nach dieser Verordnung müssen der allgemeinen Verkehrsauffassung und den Grundsätzen von Preisklarheit und Preiswahrheit entsprechen.“ (vgl. § 1 Abs. 6 S. 1.). Das OLG wirft also mit seiner Vermutung den Autovermietern nichts anderes als grundsätzlich ordnungswidriges Verhalten vor, denn der Grundsatz der Preiswahrheit wird ja nach der OLG-Auffassung nicht gewahrt oder er - wie das OLG formuliert – „begegnet […] nicht unerheblichen Zweifeln“.

Allein diese Aussage rechtfertigt die Besorgnis der Befangenheit des Senats (vgl. § 42 Abs. 2 ZPO), denn sie trägt das gesamte Urteil: „Entscheidend gegen die „Schwacke Liste […] spricht […]“. Dass diese Entscheidungstragende Ausführung eine reine, nicht bewiesene Behauptung des Senates darstellt –nämlich die, dass die in der Schwacke-Liste abgebildeten Preise keine Marktpreise seien –die zudem die fachliche Kompetenz der Richter diskreditiert liegt auf der Hand: Ganz sicher hat der Senat keinerlei empirische Marktforschung betrieben – so etwas wäre mit Sicherheit in der Urteilsbegründung aufgetaucht. Viel schlimmer wiegt jedoch der Mangel an wirtschaftlichem und an und für sich zum Allgemeinwissen zählendem Marktverständnis: Das OLG hält ausdrücklich die Schwacke-Begründung für Preisschwankungen im Mietwagenmarkt allein für Preisabweichungen nach unten für zutreffend aber nicht für solche nach oben.[i] Das, wenn ein stetig variierendes Angebot auf eine stets unterschiedliche Nachfrage trifft, auch der Fall der Verknappung des nachgefragten Gutes eintreten könnte, der zwangsläufig zu einer Verteuerung führt, kann sich das OLG Düsseldorf offenbar nicht vorstellen, obwohl das spätestens seit Ende des 19 Jahrhunderts zur Allgemeinbildung gehören dürfte.[ii] Zumindest die konkrete Marktsituation während der Streiks der GDL hätte dem Senat als aktuelles Zeitgeschehen nicht verborgen bleiben dürfen.[iii]

Ferner ist die Argumentation im Hinblick auf die Preisangaben-Verordnung des Senates schwach (vgl. Rn. 56): „[…] die Händler [sind] an die gemäß § 1 PAngV anzugebenden Preise nicht mehr gebunden.“ Natürlich ist es korrekt, dass Preisabweichungen nach unten (Rabatte) und nach oben (Aufschläge) individuell möglich sind. Aber das entbindet die Autovermieter nicht von ihrer Rechtspflicht zur „Preiswahrheit“ in den entsprechenden Listen (vgl. § 1 Abs. 6 S. 1 Preisangaben-Verordnung). Die genannten Preise müssen also Marktpreise sein. Sollte das nicht der Fall sein, so fragt sich, warum nicht längst – vor allem in einem hart umkämpften Markt – Mitbewerber solch abmahnfähiges Verhalten nicht abmahnen?

Der erkennende Senat diskreditiert sich mit seinen fadenscheinigen Begründungen selbst und offenbart ein ums andere Mal, dass er weder von wirtschaftlichen Vorgängen noch von Subsumtion unter Rechtsätze etwas versteht. Das ist ob der Tatsache, dass das erkennende Gericht immerhin ein Oberlandesgericht ist, umso befremdlicher für jeden Beobachter.

Dass das OLG Düsseldorf schlussendlich die alles entscheidende Frage darin sieht: „[…] wie häufig und in welchem Umfang der tatsächlich realisierte Mietpreis von den in den Preislisten genannten Mietpreisen abweicht […]“[iv], zeugt von mangelndem Sachverstand auch im Bereich der Statistik. Denn bei einem Marktpreisspiegel, also mit anderen Worten einem Preisindex, geht es per se nicht um einen im Einzelfall tatsächlich realisierten Preis, sondern „[…] vereinfacht ausgedrückt [um] Funktionen, die die Preise und deren Veränderungen aggregieren und zu einer Messzahl zusammenfassen, die eine Aussage über die Preisentwicklung als Ganzes zulässt.“[v]

Wenn der Senat tatsächlich seine „entscheidende“ Frage beantwortet wissen möchte, so steht es ihm frei, eine Studie hierzu einzuholen. Das es im Nachhinein (im konkreten Fall lag der zugrundeliegende Mietvorgang über 3 Jahre in der Vergangenheit) auch einem sachverständigem Experten unmöglich ist, den tatsächlichen Marktpreis zu ermitteln, liegt auf der Hand. Jedenfalls verwechselt das OLG Düsseldorf im entschiedenen Fall die tatsächlich und rechtlich entscheidende Frage danach, was im konkreten Fall der wirtschaftlich vernünftige Preis für die Dienstleistung gewesen ist, mit der Frage nach dem passenden Preisindex, der ja wiederum nur ein Anhaltspunkt für die tatsächlich zu entscheidende Frage sein kann.

Zu Fraunhofer

In den Ausführungen zum Fraunhofer Marktpreisspiegel begeht der erkennende Senat ähnliche Fehler und legt seinem Urteil unrichtige Tatsachenbehauptungen zugrunde. Unabhängig davon, dass, wie bereits dargelegt, eine anonyme Preisermittlung keinerlei empirische Vorteile besitzt, so ist zu konstatieren, dass bei der Fraunhofer Interneterhebung keine anonymisierte Abfrage erfolgt[vi]: Insbesondere heißt es in der Methodenbeschreibung des Fraunhofer-Instituts: „Bei den Abfragen über Internet ist die Anonymität bereits durch die Methodik – die Nutzung des anonymen Internets – gewährleistet.“[vii] Mit anderen Worten, die Abfrage erfolgte nicht anonym, denn das Internet ist alles andere als anonym.[viii]

Es ist bereits fraglich, ob die ebenfalls durchgeführte Telefonerhebung mit den angegebenen Parametern überhaupt anonym durchgeführt werden kann. Die Beantwortung dieser Frage ist jedenfalls mangels Repräsentativität der Erhebung (weniger als 1 Wert pro Fahrzeugkategorie und Station)[ix] und damit zugleich wegen Verstoßes gegen die Richtlinie für den Einsatz von Mystery Research in der Markt- und Sozialforschung des Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. unerheblich.[x] Vor allem der eigene Anspruch für die statistische Relevanz von mindestens 30 Werten pro Datenzelle wird nicht erfüllt.[xi]

Dann behauptet das Gericht, die Fraunhofer-Liste spiegele Preise einer „realen Anmietsituation“ wider (vgl. Rn. 58). Dem Fraunhofer Marktpreisspiegel liegt folgendes Anmietszenario zugrunde:

1.            Anmietzeitraum: Montag 9 Uhr – Donnerstag 14 Uhr
2.            7 Tage Vorbuchfrist (seit 2015 4-9 ‚Tage!)
3.            Anmietung und Rückgabe nur zwischen 9 und 16 Uhr

Somit wird nur in der Zeit von Montag bis Mittwoch (9-16 Uhr) und am Donnerstag von 9-14 Uhr (= 26 Stunden/Woche) angemietet. Nun sind die Filialen der großen 8 Anbieter in der Regel Mo-Fr zwischen 7 und 18 Uhr (teilweise auch bis 20 Uhr) und Samstags zwischen 8 und 12 Uhr (d.h. im Schnitt 59 Stunden/Woche) geöffnet. Zudem haben die Stationen an Flughäfen und Bahnhöfen noch viel länger geöffnet. Rückgaben sind ferner oft 24 Stunden am Tag möglich. Mit anderen Worten, dass Anmietszenario das der Fraunhofer-Liste zugrunde liegt ist für Privatpersonen absolut untypisch – in den abgefragten Zeiträumen benötigt eine Privatperson in der Regel kein Fahrzeug – und bildet noch nicht einmal die Hälfte der tatsächlichen Öffnungszeiten der Mietstationen ab.[xii] Die Anmietsituation, die der Fraunhofer-Liste zugrunde liegt, ist also keinesfalls typisch – wie das OLG Düsseldorf unreflektiert ins Blaue hinein behauptet – sondern ganz im Gegenteil atypisch.

Die OLG Schlussfolgerung in Rn. 58 ist geradezu absurd:[xiii] Dem Senat muss vielmehr klar sein, dass die besonders niedrigen Tarife der Fraunhofer-Liste auf der Tatsache beruhen, dass nur Schnäppchen und Angebotspreise (Lockpreise) weniger Anbieter gesammelt werden, die nichts mit einer typischen Anmietsituation zu tun haben. Der Zirkelschluss des Gerichts setzt überdies voraus, dass Schwacke und Fraunhofer dieselben Preise erheben. Das nimmt aber auch der Senat nicht, wenn er bei Schwacke von „übermittelten Preislisten“ und bei Fraunhofer von „konkreten Angeboten“ spricht.[xiv]

Erschreckend ist, dass dem OLG Düsseldorf offenbar der Unterschied zwischen einer „invitatio ad offerendum“ (Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes) und einer „offerta ad incertas personas“ (Angebot an unbestimmte Personen) nicht geläufig ist. Waren und Dienstleistungen, die im Fernabsatz angeboten werden, sind im Zweifel aber als invitatio ad offerendum aufzufassen[xv] und dokumentieren damit keinen Rechtsbindungswillen; sie stellen mithin kein „konkretes Angebot“ dar! Dieses Wissen gehört zu den Basics eines jeden Jurastudenten in den ersten Semestern:[xvi] Eine bloße Aufforderung und kein Antrag liegt vor, wenn der Auffordernde zum Zeitpunkt der Aufforderung keine rechtlich bindenden Aussagen über Konditionen machen kann oder will, insbesondere über die Vertragsparteien oder den zur Verfügung stehenden Warenvorrat. Typischerweise ist genau das bei Autovermietungen der Fall.[xvii] Darüber hinaus erleben jedes Jahr Millionen von Menschen, die ihren Mietwagen übers Internet buchen, eine unangenehme Überraschung, wenn sie bei Abholung des Autos am Schalter erfahren, dass der Mietwagen viel teurer ist, als sie eigentlich dachten.[xviii]




[i] Vgl. OLG Düsseldorf, I-1 U 42/14, insbesondere Rn. 54: „Dem ist mit der Maßgabe zuzustimmen, dass bei lebensnaher Betrachtung regelmäßig der in der Preisliste genannte Mietpreis als der wesentliche Parameter gesenkt werden wird, um über den niedrigeren und daher für den Kunden attraktiven (konkurrenzfähigen) tatsächlichen Mietpreis eine Vermietung der Fahrzeuge zu erreichen und somit den betriebswirtschaftlich benötigten Umsatz zu generieren. In diesen Fällen kommt dem Mietpreis gemäß Preisliste sprichwörtlich „nur auf dem Papier“, nicht aber in der Vermietungspraxis Geltung zu. Für die Ermittlung des Marktpreises ist jedoch maßgeblich, zu welchem Preis die Vermieter ihre Leistungen tatsächlich anbieten.“

[ii] Vgl. z.B. Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Marktgleichgewicht): „Wenn mehr Leute ein bestimmtes Gut haben wollen, wird sich die nachgefragte Menge zu allen Preisen erhöhen. Die Ursache einer höheren Nachfrage können zum Beispiel eine neue Mode, andere Lebensumstände oder höheres Einkommen sein. Infolge der höheren Nachfrage und der damit verbundenen Rechtsverschiebung der Nachfragelinie steigt der Gleichgewichtspreis und die umgesetzte Menge.

Wenn etwa mehr Menschen Kaffee kaufen wollen, werden die Anbieter zunächst den Preis erhöhen können, da mehr Nachfrage als Angebot vorhanden ist. Als Folge der Preiserhöhung werden weitere Anbieter hinzukommen oder bestehende Anbieter ihr Angebot vergrößern, da es sich bei dem höheren Preis nun für sie lohnt. Durch diese Reaktion des Marktes entsteht ein neues Marktgleichgewicht mit neuem Gleichgewichtspreis und neuer Umsatzmenge.

Wenn umgekehrt die Nachfrage sinkt, geschieht das Gegenteil. Die Nachfragekurve verschiebt sich nach links, der Gleichgewichtspreis sinkt, und als Folge davon wird auch das Angebot sinken.“

[iii] Vgl. z.B. „Die Mietwagenpreise seien in den betroffenen Regionen in der Streik-Arbeitswoche um bis zu 100 Prozent angestiegen […]“ aus Wallstreet-online.de vom 10.5.2015; „Streik lässt Mietwagenpreise steigen“ in der Frankfurter Rundschau vom 18.2.2015; „Wer vom Bahnstreik profitiert“ in der FAZ vom 20.5.2015

[iv] Vgl. OLG Düsseldorf aaO. Rn. 55

[v] Hanusch, Horst und Kuhn, Thomas: Einführung in die Volkswirtschaftslehre. 2. Auflage, Berlin; Heidelberg; New York; Tokyo, 1992

[vi] Vgl. zur Anonymität der Fraunhofer Liste i.E. Autovermieter Journal 2/2015, S. 6 ff.

[vii] Vgl. zuletzt Fraunhofer Liste 2015, S. 22 letzter Absatz

[viii] Erst die Nutzung von Anonymizer, Friend-to-friend-Netzwerken, Offshore-Anonymisierungsdienste, spezieller Usenet-Anbieter, anonymer SIM-Karten oder öffentlicher Internetzugangspunkte ermöglicht eine gewisse Anonymität!

[ix] Vgl. Fraunhofer Liste 2015 S. 30, demnach erfolgten pro Station im Schnitt 2,85 Anrufe (17047 Einzelpreise von 5983 Stationen), was bei 10 unterschiedlichen Fahrzeugklassen 0,285 Anrufen pro Station und Fahrzeugklasse entspricht! Bei 4 unterschiedlichen Anmietzeiträumen bleiben dann noch 0,071 Werte pro Station, Fahrzeugklasse und Mietzeitraum!

[x] „Zudem ist aus auswertungstechnischen Gründen darauf zu achten, dass die kleinste Darstellungseinheit der Untersuchungsergebnisse auf mindestens drei Forschungskontakten basiert.“ (Quelle: Richtlinie für den Einsatz von Mystery Research in der Markt- und Sozialforschung des Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (ADM))

[xi] Vgl. Fraunhofer Liste 2015 S. 23

[xii] Bei 26 Stunden von im Schnitt 59 Stunden typischerweise geöffneter Filialen, wird also nur ein Anmietzeitraum von maximal 44,1 % der durchschnittlichen Gesamtöffnungszeiten der 8 großen Anbieter erfasst. Da ja nur Stichproben erfolgen, dürfte der tatsächliche Wert sogar weit darunter liegen.

[xiii]Die vom Fraunhofer-Institut mittels anonymer Telefonabfragen und Internetangeboten, d.h. aufgrund einer „realen Anmietsituation“ ermittelten durchschnittlichen Mietwagenpreise liegen bekanntermaßen regelmäßig deutlich unter den von der EurotaxSchwacke GmbH ermittelten durchschnittlichen Mietpreisen. Dies spricht aus Sicht des Senats dafür, dass entgegen der Annahme der EurotaxSchwacke GmbH der tatsächlich angebotene bzw. realisierte Preis häufig unterhalb des Preises liegt, der in den von den Mietwagenunternehmen übermittelten Preislisten angegeben ist. Anders lassen sich die bis auf wenige Ausnahmen durchgängig erheblichen Unterschiede der von dem Fraunhofer-Institut durch Abfrage konkreter Angebote auf der einen, und von der EurotaxSchwacke GmbH auf Basis der übermittelten Preislisten der Mietwagenunternehmen auf der anderen Seite ermittelten Mietpreise nicht nachvollziehbar erklären. Denn würden sich die Mietwagenunternehmen regelmäßig an die Preise ihrer der EurotaxSchwacke GmbH übermittelten Preislisten halten, müssten auch die vom Fraunhofer-Institut abgefragten Preise – zumindest überwiegend – den Preisen in den Preislisten in etwa entsprechen. Dies ist jedoch ersichtlich nicht der Fall.“

[xiv] Vgl. OLG Düsseldorf aaO. Rn. 58

[xv] Vgl. Palandt, 72. Aufl. § 145 Rn. 2; OLG Nürnberg, Beschluss v. 10.6.2009, Az. 14 U 622/09

[xvi] Vgl. z.B. „Im Angebot auf der Website ist noch kein Angebot im Sinne des § 145 BGB zu

sehen, da es sich insoweit um eine invitatio ad offerendum handelt.“ , aus dem Skript des Repetitorium Hofmann, Alte Gießerei 1, 79098 Freiburg, 3. Auflage, Stand: Juni 2014, S.9

[xvii] Bei Sixt spricht man bei einer Reservierungsbestätigung beispielsweise von einem „voraussichtl. Mietpreis“; bei Avis steht es ausdrücklich in den AGB: „Die Buchung führt noch nicht zum Abschluss eines Mietvertrages über ein Mietfahrzeug.“ und auch die übrigen Vermieter handhaben das vergleichbar!

[xviii] Vgl. Link

[xix] Vgl. Fraunhofer Liste 2015 S. 15

[xx] Vgl. Fraunhofer Liste aaO.

[xxi] Seit der aktuellen Liste 2015 sind es plötzlich 4-9 Tage, ohne nähere Erläuterung zu der Neuerung!

[xxii] Vgl. z.B. „Wer für den Urlaub einen Mietwagen buchen will, sollte das schon vorab […] tun. Dabei gilt die Faustregel: Je früher gebucht wird, desto mehr Auswahl hat man und desto günstiger ist es.“ oder „Je früher Sie buchen, desto günstiger wird es für Sie.“

[xxiii] Einfluss der Vorbuchungszeit auf Verfügbarkeit und Preis bei Mietwagen im Internet, MRW 3/2011, S. 7ff

[xxiv] Vgl. Fraunhofer-Liste 2015, S. 54 f.

[xxv] Vgl. Fraunhofer-Liste aaO.: Der „Untersuchung“ liegen bei den 10 Fahrzeugklassen der Fraunhofer-Liste pro Klasse gerade einmal 1,2 Werte pro Station, Anmietzeitpunkt- und -dauer zugrunde! Tatsächlich wurden sogar Werte für 155 unterschiedliche Fahrzeuge abgefragt, was nur 0,08 Werten pro Fahrzeug, Station, Anmietzeitpunkt und -dauer entspricht! Belastbare Aussagen sind folglich nicht möglich. Zudem ist es extrem fraglich, ob sich die grundlegende Methodik der Preiserhebung überhaupt zur Ermittlung des ausgegebenen Zieles eignet. Das ist in etwa so, wie wenn man ein VW-Diesel-Fahrzeug mit Manipulationssoftware danach fragt, ob es denn auch alle Abgaswerte einhalte.

[xxvi] Vgl. Fraunhofer-Liste 2015, S. 23

[xxvii] „Der tatsächliche Mietpreis, den der Fahrer am Ende zu zahlen hat, kann schnell beim Doppelten oder Dreifachen des Basistarifs liegen.“ von der Webseite: Welt.de, „Wie Autovermietungen Ihre Kunden abzocken“ vom 13.5.2015

[xxviii] aaO.

Der Hinweis auf „verbindlich buchbare Fahrzeuge“[xix] in der Fraunhofer-Liste ist dementsprechend ebenso irreführend, wie die Rede von „verbindlich erzielbare[n] Preise[n]“. [xx]

Dass bei einer Vorbuchungszeit von 7 Tagen[xxi] die angezeigten Preise nicht denen bei einer unmittelbaren Buchung entsprechen, liegt nicht nur auf der Hand,[xxii] sondern wird auch von einer eigens hierzu durchgeführten, repräsentativen Datenerhebung belegt.[xxiii] Die vom Gericht zitierte und vom Fraunhofer-Institut durchgeführte Untersuchung zur „Abhängigkeit des Preises vom Anmietzeitpunkt“[xxiv] belegt indes gar nichts, da sie keinerlei statistisch relevante Aussagen erlaubt.[xxv] Darüber hinaus ist es, nett formuliert, merkwürdig, dass das Fraunhofer-Institut die Preise nicht unmittelbar erhebt, wenn doch die Vorbuchfrist tatsächlich nur einen geringen Einfluss habe. Es macht keinen Sinn, die Preise nicht ohne Vorbuchzeit zu erheben, um dann in einer weiteren „Untersuchung“ zeigen zu müssen, dass der Anmietzeitpunkt keine Rolle spiele.

Die aktuelle Liste wählt übrigens – ohne jegliche Begründung oder nähere Angaben hierzu – einen losen Anmietzeitpunkt zwischen 4 und 9 Tagen.[xxvi]

Darüber hinaus sind die Internetpreise der von der Fraunhofer-Liste abgefragten Handvoll Unternehmen vor allem eines: Lockpreise.[xxvii] Es ist ein offenes Geheimnis, dass gerade diese „Anbieter ihre Preise über Jahrzehnte "optisch kaum oder gar nicht geändert" [haben und sich s]tattdessen […] mehr Kosten in Zuschlägen und Gebühren verstecken“ (Baukastenprinzip).[xxviii] 

Reale Anmietungen führt das Fraunhofer-Institut für die Erstellung seiner Liste nicht durch. Eine faktische Verfügbarkeit der angefragten Mietwagenklassen wird folglich nicht behauptet: Bei den gesammelten Daten handelt es sich um „zum Zeitpunkt der Erhebung verbindlich erzielbare Preise.“[i] Mit anderen Worten, klar können Sie ein Schnäppchen ergattern, aber garantieren kann Ihnen das natürlich niemand!

In Rn. 58 a.E. fabuliert der Senat bar jeglichem, mathematisch-statistischem Verständnis[ii] herum, denn natürlich würden die Preise der Fraunhofer-Liste denen der Schwacke-Liste entsprechen, wenn Sie nicht nur aus Angebotspreisen bestünde!

In Rn. 60 liegen nach dem persönlichen Bauchempfinden des Senates „die Mietpreise gemäß „Schwacke-Liste“ regelmäßig deutlich über dem tatsächlichen durchschnittlichen Marktpreis“, denn das weiß er „durch die Erfahrungen […] aus anderen Verfahren“. Die gesamte Branche wäre sehr gespannt auf die Vorlage einer empirischen Untersuchung, die diese Aussage untermauert. Gäbe es sie, so fände sie sich aber wohl im Urteil wieder. So aber disqualifiziert sich der Senat mit dieser Aussage gänzlich.

Auch in den Rn. 62 - 69 tritt der mangelnde Sachverstand des Gerichtes hervor. Denn, das bemühte „Argument“ einer betriebswirtschaftlich sinnvollen Preisfindung hat nichts mit der Unfallersatzrechtsprechung zu tun, die sich an Preiserhebungen orientiert. Das OLG sei daran erinnert, dass der Markt die konkrete Preisfindung bestimmt und keine nachträglich erstellten Preislisten!

Den Schlussfolgerungen des Gerichts in Rn. 73[iii] kann entgegengehalten werden, dass insbesondere anonymisierte Befragungen den Nachteil der Intransparenz besitzen; weder ist eine Nachprüfbarkeit der erhobenen Daten möglich noch ist die jeweilige Erhebungssituation reproduzierbar.[iv]

Natürlich kann der Fraunhofer Marktpreisspiegel als Schätzungsgrundlage dienen, wenn er als „Erhebung von Angebotspreisen“ erkannt wird und diesem Faktum mit einem sinnvollem Aufschlag begegnet wird um einem Normalpreis nahe zu kommen.

Zur Argumentation in Rn. 77 sei auf das statistische Bundesamt verwiesen, dass aufgrund verschiedener methodischer Probleme und Unzulänglichkeiten Preise nicht im Internet erhebt.[v]

Gerichte im Unfallersatz sollten wissen, dass im Internet gerade aufgrund der vermeintlichen „Preistransparenz“ mehr Schindluder getrieben wird, als andernorts.[vi] Verbraucher die sich gutgläubig auf einen Internetpreisvergleich einlassen und keine umfassende Recherche betreiben zahlen i.d.R. drauf. Die Argumentation des OLG Düsseldorf[vii] zur Erhebung von Internetpreisen missachtet folglich alle Erkenntnisse der letzten Jahre und offenbart einmal mehr das „Bauchgefühl“ des Senates.

Um einen Punkt zu setzen, sei hier auf die schöne Abhandlung des BAV zum gegenständlichen Urteil verwiesen, die unzählige, weitere Schwachpunkte in der Argumentation der Richter entlarvt.[viii]

Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Argumentation des OLG Düsseldorf immer gleich abläuft: Das Gericht moniert und argumentiert mit Glaubenssätzen. Keine Spur von richterlicher Objektivität. Weder wird auf logische oder wissenschaftliche Grundregeln, den gesunden Menschenverstand oder allgemeine Kenntnisse des wirtschaftlichen Lebens zurückgegriffen. Pauschale, subjektive Werturteile und falsche Tatsachenbehauptungen offenbaren hier Abgründe, die dem Ansehen der Justiz im Ganzen schaden.

Fazit

Dieses - von handwerklichen, logischen und sachlichen Fehlern strotzende - Urteil ruft nicht nur bei Juristen Unverständnis hervor. Leider ist es kein Einzelfall. Das Muster in solchen und ähnlichen Urteilen ist immer gleich: Es werden Floskeln aus anderen Urteilen per Paste’n’Copy übernommen. Das mag Zeit sparen, doch es kann nicht sein, dass existenzgefährdende Unwahrheiten von deutschen Gerichten zum Besten gegeben werden, um hanebüchene Begründungen aus dem Hut zu Zaubern. Richter sollten Ihre Verantwortung ernst nehmen und danach streben korrekte und fachlich einwandfreie Urteile zu fällen.

Natürlich kann es sein, dass die Preise der Fraunhofer Liste im Einzelfall realisierbar sind, in der Regel kommen die Preise der Schwacke Liste dem „Normalpreis“ aber näher. Das ist nicht verwunderlich, da die Fraunhofer-Liste nur auf Angebotspreisen basiert.

Es darf von einem (höheren) Gericht erwartet werden, dass - wenn es selbst Argumente wie Empirik und betriebswirtschaftliche Aspekte  anführt - es sich mit Tatsachen auseinandersetzt und bei mangelnder Fachkunde sachverständigen Rat einholt.

Ein Stammtischniveau am Richtertisch, wie es das OLG Düsseldorf im besprochenen Urteil an den Tag legt, ist jedenfalls nicht hinnehmbar. Jeder Richter, der solch eine Urteilsbegründung abliefert beschädigt nicht nur sich und seinen Ruf, nein, die gesamte Rechtsprechung, ihre Glaubwürdigkeit und Akzeptanz bei der Bevölkerung leidet darunter.

Immerhin steht das OLG mit seiner Auffassung von „Fraunhofer pur“ ziemlich allein,[ix] wie die aktuellen Urteile der OLG Celle, Dresden, Hamm, Köln und Thüringen zeigen.[x]

Faktisch bleibt festzustellen, dass, nach Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte zur Ermittlung des Normalpreises im Mietwagensegment, mehr gegen die Anwendung der Fraunhofer-Liste spricht, als gegen die Anwendung der Schwacke-Liste (siehe Tabelle). Das gilt auch für den Bezirk des OLG Düsseldorf. Das Gericht hätte daher bei sachlich objektiver Prüfung zwangsläufig zum selben Ergebnis kommen müssen. (huq)

































[i] Vgl. Fraunhofer Liste 2015, S. 15

[ii]Denn würden sich die Mietwagenunternehmen regelmäßig an die Preise ihrer der EurotaxSchwacke GmbH übermittelten Preislisten halten, müssten auch die vom Fraunhofer-Institut abgefragten Preise – zumindest überwiegend – den Preisen in den Preislisten in etwa entsprechen. Nichts anderes gilt […], wenn man die vom Fraunhofer-Institut ermittelten Preise […] tendenziell als zu niedrig ansieht und deshalb den durchschnittlichen Marktpreis nach dem arithmetischen Mittel beider Erhebungen bestimmt oder auf die im Fraunhofer-Marktpreisspiegel ausgewiesenen Mietpreise einen prozentualen Aufschlag von bis zu 25 % vornimmt. Denn selbst die so ermittelten (höheren) durchschnittlichen Mietpreise liegen […] regelmäßig noch nennenswert unter den durchschnittlichen Mietpreisen gemäß der „Schwacke-Liste“ und damit unter den durchschnittlichen Mietpreisen gemäß den der EurotaxSchwacke GmbH von den Mietwagenunternehmen übermittelten Preislisten.“

[iii] „Vom Fraunhofer-Institut werden die durchschnittlichen „Normaltarife“ nicht aufgrund von den Mietwagenunternehmen übermittelten Preislisten, sondern aufgrund einer anonymen Befragung mittels Telefon und durch die Auswertung von Angeboten im Internet ermittelt, was einer „realen Anmietsituation“ nahe kommt. Dieser methodische Ansatz ist aus Sicht des Senats transparenter und gewährleistet im Gegensatz zur Erhebungsmethode der EurotaxSchwacke GmbH insbesondere, dass es sich bei den erhobenen Mietpreisen auch um tatsächlich am Markt verlangte und realisierte Preise, sprich um Marktpreise handelt. Für den Fraunhofer-Marktpreisspiegel spricht desweiteren, dass er aus den genannten Gründen den hier maßgeblichen regionalen Markt realistischer abbildet als die „Schwacke-Liste“. Jedenfalls was den hiesigen regionalen Markt angeht, ist der Fraunhofer-Marktpreisspiegel daher der „Schwacke-Liste“ zur Schätzung des durchschnittlichen „Normaltarifs“ grundsätzlich vorzuziehen.“

[iv] Vgl.: Handbuch der Marktforschung, 2. Auflage, Wien 2007, S. 35:„Der Nachteil liegt eindeutig in der fehlenden Repräsentativität. Aus Mystery Shopping kann man keine repräsentativen Schlüsse ziehen.“ Lediglich bei der Kontrolle von Markenherstellern über die Marktpreise der eigenen Produkte macht diese Methode überhaupt Sinn!

[v] Vgl: Link

[vi] Vgl. z.B.: Link 1; Link 2 oder Link 3

[vii] Vgl. Rn. 77: „Auch Preisrecherchen werden häufig im Internet durchgeführt. Die Nichteinbeziehung von Internetangeboten bei der Preisermittlung ist nach alledem nicht mehr zeitgemäß und aus Sicht des Senats ein weiteres Argument gegen die Heranziehung der „Schwacke-Liste“, die bei der Preisermittlung Internetangebote und damit einen nicht unmaßgeblichen preisbildenden Faktor außer Betracht lässt.“

[viii] Link

[ix] Allein das OLG Frankfurt a.M. sieht es ähnlich: Urteil vom 3.3.2016, Az.: 4 U 164/15 (Fraunhofer). Es sieht sich natürlich derselben, grundlegenden Kritik ausgesetzt, wie das Urteil des OLG Düsseldorf.

[x] OLG Hamm, Urteil vom 18.3.2016, Az.: 9 U 142/15 (Fracke); OLG Celle, Urteil vom 13.4.2016, Az.: 14 U 127/15 (Fracke); OLG Köln, Urteil vom 16.6.2015, Az.: 15 U 220/14 (Fracke); OLG Dresden, Urteil vom 6.5.2015, Az.: 7 U 192/14 (Schwacke); OLG Thüringen, Urteil vom 5.4.2016, Az.: 5 U 855/14 (Ausschlaggebend ist der Rechnungsbetrag, wenn kein Nachweis einer konkreten, günstigeren Anmietmöglichkeit erbracht wird)

Überblick
Argumente contra
Fraunhofer                                                               Schwacke

  • ist nicht repräsentativ
  • ist nicht reproduzierbar, also nicht überprüfbar
  • spiegelt keine konkrete Anmietsituation wieder
  • bildet keine Normaltarife ab
  • spiegelt nur den Internetsondermarkt weniger Anbieter
  • basiert auf langen Vorbuchfristen
  • ignoriert regionale Märkte
  • ist statisch
  • wird nicht - anders als behauptet - anonym erhoben
  • ist statisch

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